Elf Freunde mussten es sein, und hinter den Kulissen sogar noch ein paar mehr, um im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 1974 eine eigene Kategorie in der deutschen Schlagerlandschaft zu kreieren – von Kickern gesungene Fußballhymnen. Der deutsche Fußballbund brachte die Nationalmannschaft unter Kapitän Franz Beckenbauer sowie den Sportfan und Starproduzenten Jack White im Tonstudio zusammen, und kurz darauf schmetterten der „Kaiser“, Gerd Müller, Sepp Maier und der Rest der deutschen Fußballhelden aus vollen Kehlen auf jedem Radiosender „Fußball ist unser Leben, denn König Fußball regiert die Welt“.
Inbegriffen war der leicht zu merkende, wenn auch musikalisch nicht super anspruchsvolle Refrain, „Ha! Ho! Heja heja he!“ in den deutschen Charts brachten die singenden Fußballer es im Vorfelde der WM auf einen respektablen 27. Platz. Auf dem Spielfeld hingegen gelang ihnen ein Sieg nach dem anderen, bis sie schließlich als Gastgeber zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik den Titel holten.
Die Musik des Sports
Fußballhymnen haben sich seitdem ohne Ende vermehrt, wobei die am häufigsten in den Stadien gespielten Songs nicht einmal unbedingt für den schönen Sport geschrieben wurden. Dafür sind sie teilweise musikalisch etwas weiterentwickelt als „Fußball ist unser Leben“, was auch damit zu tun haben mag, dass die deutsche Elf sportlich unschlagbar war, gesanglich aber nicht gerade zur Weltspitze gehörte. Das galt selbst für Beckenbauer, der sich 1966 mit der Single „Gute Freunde kann niemand trennen“ erstmals in die deutschen Charts geträllert hatte. „Fußball ist unser Leben“ ist bei aller Kritik zum Dauerbrenner geworden, der vor allem in Radio und Fernsehen gespielt wird, wenn es um das Verkünden von Fußballergebnissen geht. Auch wenn es um Bundesliga Vorhersage Tipps geht, ist der Song populär.
Als die Fußballhymne schlechthin gilt seit Jahrzehnten „You’ll Never Walk Alone“ von der Liverpooler Band „Gerry and the Pacemakers“. Dabei hat der Song eigentlich überhaupt nichts mit Fußball zu tun. Das Lied aus der Feder der Broadway-Größen Richard Rodgers und Oscar Hammerstein stammt aus dem Musical „Carousel“, in dem ein Not leidender Karussellarbeiter einen Raubüberfall verübt, um seine Frau und sein ungeborenes Kind finanziell zu versorgen. Doch alles geht schief, und er stirbt.
Das Lied, das mit seinem gefühlvollen Pathos vor allem das Wir-Gefühl der Fans anspricht, indem es ihnen versichert, dass sie ihren Weg niemals allein gehen werden, ist zur Stammhymne diverser britischer Clubs geworden. Wessen Fans zuerst lauthals im Stadion mitgesungen haben, wenn „You’ll Never walk Alone“ ertönt, ist umstritten. Unbestritten ist jedoch der Kultstatus des Songs in Verbindung mit Fußball.
Von Olympia bis zur Bundesliga gibt es kaum ein großes Sportereignis, in dem auf Queens Rockhymne „We Are The Champions“ verzichtet wird. Kein Wunder: Freddie Mercury erzählte in einem Interview, er habe beim Schreiben des 1977 erschienen Songs an Fußball und an dessen Fans gedacht. Er wollte den Fans etwas zum Mitmachen, Mitfühlen und Mitsingen geben. Wie gut ihm das gelungen ist, zeigt sich daran, dass es mehr als 40 Jahre später kaum jemanden gibt, der „We Are The Champions“ nicht auf der Stelle erkennt.
„The Final Countdown“ von den schwedischen Rockern Europe aus dem Jahr 1986 wurde zwar nicht von Fußball, sondern von David Bowie’s „Space Oddity“ inspiriert, aber die Fans singen den Song ebenfalls in etlichen Stadien weltweit, bevor der Anpfiff ertönt.
So sehr ist Rock und Pop ein Teil des Fußballsports geworden, dass jede Bundesligamannschaft inzwischen ihre eigene Kennmelodie hat, wenn die Kicker ins Stadion einlaufen. Dabei sind es nicht unbedingt bekannte Stars, die hier verewigt werden. Erfolgreich sind sie dennoch, selbst ohne große Namen bei den Liedermachern und Sängern.
Bayern Münchens „Stern des Südens“ von Bayern-Fans United ist mittlerweile in zwölf Sprachen übersetzt worden, in denen der deutsche Rekordmeister gepriesen wird.
Beim FC Augsburg wird beim Heimspiel Augsburg Uniteds „Rot, Grün, Weiß“ von den Fans begeistert mitgesungen, und für Eintracht Frankfurt ertönt über die Lautsprecher der Polizeichor Frankfurt mit „Im Herzen von Europa“. Schon fast Ausnahmen mit althergebrachten Chart-Profis sind der VfL Wolfsburg mit Gino und „Immer nur Du“ und Hertha BSC mit Frank Zander und „Nur nach Hause“.
Auch Torhymnen sind längst nicht mehr aus den Stadien wegzudenken. Wenn der Ball im Netz versenkt wird, jubeln die Fans zu musikalischer Begleitung aller Art. Weil jeder Club seine eigene Torhymne hat, lässt sich schon anhand der Songs feststellen, welche Mannschaft einen Treffer gelandet hat.
Wird Jacques Offenbachs Cancan gespielt, können sich die Fans von Arminia Bielefeld Begeisterungsstürme erlauben. Erklingt „Eine Insel mit zwei Bergen“ von der Ausburger Puppenkiste, hat der FC Ausgburg ein Tor geschossen. Trifft der RB Leipzig, beschreibt James Browns „I Feel Good“ perfekt die Stimmung der Leipzig-Fans. Bayer Leverkusen zelebriert Tore mit ein paar Takten von Status Quos „Rocking all over the world“, und beim FC Bayern ertönt für jedes Tor „Seven Nations Army“ von The White Stripes.
Eine Liebe die nie endet
Da die Bundesliga mit durchschnittlich 3,03 Toren pro Spiel europaweit an der Spitze liegt, sind die hiesigen Begegnungen auch mit die musikalischsten, selbst wenn die Hymnen nicht mehr wie einst von der Nationalelf gesungen werden. Fußball regiert dennoch weiter die Welt für die Fans. Diese Liebe wird halt auch nach Noten ausgedrückt, egal, wie viele Freunde zusammen sind.